Als er das sagte, wanderte sein Blick nach links oben. Darcy hatte irgendwo gelesen, eine solche Mimik bedeute, dass der Betreffende bewusst log. Aber war es wichtig, ob er das tat? Oder wen von ihnen er belog? Wahrscheinlich nicht.
»Ich will nicht ins Detail gehen«, sagte er. »Das ist nichts für ein Sweetheart wie dich, und ob es dir nun gefällt oder nicht - im Augenblick wohl eher nicht -, bleibst du mein Sweetheart. Aber du sollst wissen, dass ich dagegen angekämpft habe. Ich habe sieben Jahre dagegen gekämpft, aber diese Ideen - Brians Ideen - sind immer stärker geworden. Bis ich mir schließlich gesagt habe: ›Ich werde es mal versuchen, nur um es aus dem Kopf zu bekommen. Um ihn aus meinem Kopf zu bekommen. Wenn ich gefasst werde, werde ich eben gefasst - aber ich kann wenigstens aufhören, daran zu denken. Vermutungen darüber anzustellen. Wie es wohl sein würde.‹«
»Du erzählst mir, das sei männlicher Forscherdrang gewesen?«, sagte sie bedrückt.
»Na ja, so könnte man es irgendwie nennen.«
»Oder als ob man einen Joint probiert, nur um zu sehen, was die ganze Aufregung soll.«
Er zuckte bescheiden, jungenhaft mit den Achseln. »Irgendwie.«
»Das war keine Erkundung, Bobby. Das war nicht, als ob man einen Joint versucht. Das war Mord an einer Frau!«
Sie hatte weder Schuldbewusstsein noch Schamgefühl gesehen, absolut nichts - er schien außerstande zu sein, solche Gefühle zu empfinden, so als wäre der Schalter, der sie kontrollierte, defekt geworden, möglicherweise schon vor der Geburt -, aber jetzt bedachte er sie mit einem schmollenden, gekränkten Blick. Mit dem Du-verstehst-mich-nicht-Blick eines Teenagers.
»Darcy, sie waren hochnäsig.«
Sie wollte ein Glas Wasser, fürchtete sich aber davor, aufzustehen und ins Bad zu gehen. Sie fürchtete, er würde sie aufhalten, und was würde danach kommen? Was dann?
»Außerdem«, fuhr er fort, »habe ich nicht erwartet, gefasst zu werden. Nicht wenn ich sorgfältig vorging und einen Plan machte. Also keinen unausgereiften, geilen Plan eines Vierzehnjährigen, sondern einen richtigen. Einen realistischen Plan. Und mir ist noch etwas klargeworden: Ich konnte es nicht allein schaffen. Selbst wenn ich es nicht aus Nervosität vermasseln würde, könnte mein schlechtes Gewissen alles verderben. Weil ich einer der guten Kerle war. So habe ich mich gesehen, und ob du’s glaubst oder nicht, so sehe ich mich noch immer. Und das kann ich beweisen, oder nicht? Ein schönes Heim, eine gute Frau, zwei ansehnliche Kinder, die jetzt erwachsen sind und ihr eigenes Leben beginnen. Und ich habe dem Gemeinwesen
Du hättest Marjorie Duvall um eine Blutspende bitten sollen, dachte Darcy. Sie hatte Blutgruppe A positiv.
Dann sagte er, indem er sich wie ein Mann, der seine Argumente mit einem letzten unwiderlegbaren Punkt untermauerte, leicht aufplusterte: »Das steckt auch hinter meiner Arbeit mit den Jungpfadfindern. Du hast geglaubt, ich würde aufhören, als Donnie zu den Pfadfindern gegangen ist. Ich weiß, dass du das geglaubt hast. Aber ich hab’s nicht getan. Weil es mir niemals nur um ihn gegangen ist. Sondern um das Gemeinwesen, dem ich etwas zurückgeben wollte.«
»Dann gib Marjorie Duvall ihr Leben zurück. Oder Stacey Moore. Oder Robert Shaverstone.«
Der letzte Name erreichte sein Ziel; Bob zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. »Der Junge war ein Unfall. Er hätte nicht dort sein sollen.«
»Aber dass du dort warst, war kein Unfall?«
»Das war nicht ich«, sagte er und fügte dann die endgültige surreale Absurdität an: »Ich bin kein Ehebrecher. Das war BD. Es ist immer BD. Es war seine Schuld, dass er mir diese Ideen überhaupt in den Kopf gesetzt hat. Allein wäre ich nie darauf gekommen. Meine Mitteilungen an die Polizei habe ich mit seinem Namen unterzeichnet, nur damit das klar war. Natürlich habe ich die Schreibweise geändert, weil ich ihn einige Male BD genannt habe, als ich dir damals von ihm erzählt habe. Du hättest dich vielleicht nicht daran erinnert, aber ich wusste es natürlich.«
Wie zwanghaft er alles Erdenkliche tat, beeindruckte sie wider Willen. Kein Wunder, dass er nicht geschnappt worden
»Keine von denen hatte irgendetwas mit mir oder mit meinem Beruf zu tun. Auch nicht mit meiner Nebenbeschäftigung. Das wäre sehr schlecht gewesen. Sehr gefährlich. Aber ich reise viel und halte dabei die Augen offen. Das tut auch BD - der BD in meinem Inneren. Wir achten auf die Hochnäsigen. Die sind immer leicht zu erkennen. Sie tragen viel zu kurze Röcke und lassen absichtlich ihre BH-Träger sehen. Sie locken Männer an. Zum Beispiel diese Stacey Moore. Von der hast du bestimmt gelesen. Verheiratet, aber das hat sie nicht daran gehindert, mich mit ihren Möpsen am Arm zu streifen. Sie hat als Serviererin in einem Café gearbeitet - im Sunnyside in Waterville. Da war ich oft bei Mickleson’s Coins, weißt du noch? Du bist sogar ein paarmal mitgefahren, als Pets am Colby war. Das war, bevor George Mickleson gestorben ist und sein Sohn den ganzen Lagerbestand verschleudert hat, um nach Neuseeland oder sonst wohin ziehen zu können. Diese Frau hat mich bedrängt, Darce! Hat ständig gefragt, ob ich noch etwas heißen Kaffee will, wollte meine Meinung zu den Red Sox hören, hat sich über mich gebeugt, ihre Möpse an meiner Schulter gerieben und ihr Bestes getan, um mich aufzugeilen. Was ihr auch gelungen ist, das muss ich zugeben, immerhin bin ich ein Mann mit Männerbedürfnissen, und obwohl du mich nie abgewiesen oder Nein gesagt hast … na ja, selten … bin ich ein Mann mit Männerwünschen und einem schon immer starken Sexualtrieb. Manche Frauen spüren das und spielen gern damit. Das bringt sie zum Orgasmus.«
Er starrte mit dunklen, nachdenklichen Augen in seinen Schoß. Dann schien ihm etwas anderes einzufallen, und er riss den Kopf hoch. Sein schütter werdendes Haar flog auf und legte sich dann wieder.
»Immer mit einem Lächeln! Roter Lippenstift und immer lächelnd! Aber ich kenne dieses Lächeln. Das tun die meisten Männer. ›Haha, ich weiß, dass du’s willst, ich kann es an dir riechen, aber dieses kleine Reiben ist alles, was du kriegst, also find dich damit ab.‹ Ich konnte es! Ich konnte mich damit abfinden! Aber nicht BD, der nicht.«
Er schüttelte langsam den Kopf.
»Solche Frauen gibt es viele. Es ist einfach, ihre Namen zu erfahren. Dann kann man sie im Internet aufspüren. Dort gibt es allerhand Informationen, wenn man sich aufs Suchen versteht, und das tut man in meinem Beruf. Das habe ich … ach, Dutzende von Malen gemacht. Vielleicht schon hundertmal. Man könnte es ein Hobby nennen, glaube ich. Man könnte sagen, dass ich außer Münzen auch Informationen sammle. Meistens wird nichts daraus. Aber manchmal sagt BD: ›Sie ist diejenige, bei der du weitermachen musst, Bobby. Genau diese hier. Wir machen gemeinsam einen Plan, und wenn es so weit ist, überlässt du die Sache einfach mir.‹ Und das tue ich dann.«
Er nahm ihre Hand und umschloss ihre kalten, schlaffen Finger mit seinen.
»Du hältst mich für verrückt. Das sehe ich dir an. Aber das bin ich nicht, Schatz. BD ist verrückt … oder Beadie, wenn dir sein für die Öffentlichkeit bestimmter Name besser gefällt. Wenn du die Zeitungsmeldungen verfolgt hast, weißt du übrigens, dass ich in meine Mitteilungen an die Polizei absichtlich viele Rechtschreibfehler einstreue. Ich schreibe sogar die Adressen falsch. Ich habe eine Liste mit Rechtschreibfehlern in meiner Geldbörse, damit es immer die gleichen sind. So was nennt man Desinformation. Sie sollen Beadie für dumm halten - zumindest für ungebildet -, und genau das tun sie. Weil sie dumm sind. Ich bin nur ein einziges Mal als Zeuge vernommen worden - ungefähr zwei Wochen nachdem BD Stacey Moore umgebracht