Sie lachte mit ihm, dann dachte sie (was sie inzwischen oft tat): ER MUSSTE NICHT »LEIDEN«!
»Ist das nicht großartig, Schatz?«
»Ja«, sagte sie. »Ich freue mich für dich.« Und das tat sie wirklich, merkwürdig oder nicht (pervers oder nicht).
Er schloss sie in die Arme. Sie erwiderte seine Umarmung kurz und schob ihn dann sanft von sich fort. »Was hast du damit vor, Bobby? In einen Acrylglas-Würfel eingießen?«
Damit wollte sie ihn necken, das wusste er. Er legte mit dem Zeigefinger wie mit einer Pistole auf sie an und schoss ihr in den Kopf. Was in Ordnung war, denn wer mit einer Fingerpistole erschossen wurde, brauchte nicht zu »leiden«.
Sie lächelte ihn weiter an, aber jetzt sah sie ihn wieder (nach diesem kurzen liebevollen Intermezzo) als das, was er war: der Dunklere Ehemann. Gollum mit seinem Schatz.
»Ganz sicher nicht! Ich fotografiere ihn, hänge das Foto an die Wand und lege den Penny in unser Bankschließfach. Wie würdest du ihn einschätzen - als ›schön‹ oder ›sehr schön‹?«
Sie begutachtete ihn noch einmal und sah dann mit einem bedauernden Lächeln zu ihm auf. »Ich würde gern ›sehr schön‹ sagen, aber …«
»Genau, ich weiß, ich weiß - und eigentlich müsste mir das auch egal sein. Einem geschenkten Gaul soll man nicht
Meine ehrliche Meinung ist, dass du es wieder tun wirst.
»Eindeutig besser als ›sehr gut‹.«
Sein Lächeln verblasste. Einen Augenblick lang befürchtete sie, er habe erraten, was sie dachte, aber das konnte nicht sein; auf dieser Seite des Spiegels verstand auch sie sich darauf, Geheimnisse zu bewahren.
»Es geht ohnehin nicht um die Erhaltung. Das Finden ist wichtig. Nicht beim Händler kaufen oder aus einem Katalog heraussuchen, sondern tatsächlich einen in die Hände bekommen, wenn man es am wenigsten erwartet.«
»Ja, ich weiß.« Sie lächelte. »Wäre mein Dad jetzt hier, würde er eine Flasche Champagner aufmachen.«
»Diese Kleinigkeit erledige ich heute Abend beim Essen«, sagte er. »Aber nicht in Yarmouth. Wir fahren nach Portland. Ins Pearl of the Shore. Was hältst du davon?«
»Ach, Schatz, ich weiß nicht recht …«
Er fasste sie leicht an den Schultern, so wie er es immer tat, wenn sie begreifen sollte, dass etwas wirklich sein Ernst war. »Komm schon … heute Abend ist es so warm, dass du dein schönstes Sommerkleid tragen könntest. Ich hab auf der Rückfahrt den Wetterbericht gehört. Und du bekommst so viel Champagner, wie du willst. Wie konntest du zu diesem Vorschlag Nein sagen?«
»Tja …« Sie überlegte, dann lächelte sie. »Das kann ich wohl nicht.«
15
Sie tranken nicht nur eine sündteure Flasche Moët et Chandon, sondern zwei, und Bob trank das meiste davon. Folglich war es Darcy, die seinen leise summenden kleinen Prius nach Hause lenkte, während Bob auf dem Beifahrersitz saß und - tonartgetreu, aber nicht sonderlich melodisch - »Pennies from Heaven« sang. Sie merkte, dass er betrunken war. Nicht nur angeheitert, sondern tatsächlich betrunken. Es war das erste Mal seit zehn Jahren, dass sie ihn so erlebte. Normalerweise beobachtete er seinen Alkoholkonsum mit Argusaugen, und wenn er manchmal auf Partys gefragt wurde, warum er nichts trinke, antwortete er mit einem Zitat aus dem Westernfilm Der Marshal: »Ich würde keinen Dieb in meinen Mund tun, damit er mir den Verstand stiehlt.« Heute Abend hatte er in seiner Euphorie über den Münzfund zugelassen, dass ihm der Verstand gestohlen wurde, und sobald er die zweite Flasche Schampus bestellte, wusste Darcy, was sie tun würde. Im Restaurant war sie im Zweifel gewesen, ob sie es schaffen würde, aber als sie ihn auf der Heimfahrt singen hörte, war sie sich ihrer Sache sicher. Natürlich konnte sie es schaffen. Sie war jetzt die Dunklere Ehefrau, und die Dunklere Ehefrau wusste, dass sein vermeintliches Glück in Wirklichkeit ihres gewesen war.
16
Im Haus warf er sein Sportsakko über den Garderobenständer in der Diele und zog sie zu einem langen Kuss in die Arme. Sein Atem schmeckte nach Champagner und süßer Crème brulée. An sich keine schlechte Kombination,
»Ich gehe rauf und ziehe dieses Kleid aus«, sagte sie. »Im Kühlschrank steht eine Flasche Perrier. Wenn du mir ein Glas davon bringst - mit einer Scheibe Limone -, könntest du Glück haben, Mister.«
Daraufhin grinste er - sein altes Grinsen, das sie immer so geliebt hatte. Weil es ein lange bestehendes Eheritual gab, das sie seit der Nacht, in der er ihre Entdeckung gewittert hatte (ja, sie gewittert hatte, wie ein schlauer alter Wolf einen vergifteten Köder wittern würde) und eilig aus Montpelier zurückgekommen war, nicht wieder aufgenommen hatten. Tag für Tag hatten sie immer mehr zugemauert, was er war - ja, so gewiss, wie Montrésor seinen alten Freund Fortunato eingemauert hatte -, und Sex im Ehebett würde der letzte Ziegelstein sein.
Er knallte die Hacken zusammen und salutierte auf britische Art: Finger an der Schläfe, Handfläche nach außen gekehrt. »Jawohl, Ma’am.«
»Aber komm bald«, sagte sie freundlich. »Mama will, was Mama braucht.«
Auf dem Weg die Treppe hinauf dachte sie: Das klappt niemals. Es endet nur damit, dass er dich ermordet. Er glaubt vielleicht nicht, dazu imstande zu sein, aber du weißt das natürlich besser.
Aber vielleicht war das dann in Ordnung. Unter der Voraussetzung, dass er sie vorher nicht quälte, wie er diese Frauen gequält hatte. Vielleicht war jede Lösung in Ordnung. Sie konnte den Rest ihres Lebens nicht damit verbringen, in Spiegel zu starren. Sie war kein Kind
Sie ging ins Schlafzimmer, warf dort aber nur ihre Handtasche neben den Handspiegel auf den Nachttisch. Dann ging sie wieder hinaus und rief: »Kommst du, Bobby? Ich könnte wirklich eine Erfrischung brauchen!«
»Kommt sofort, Ma’am, tue nur noch Eis rein!«
Und schon trat er aus dem Wohnzimmer in den Flur hinaus, hielt eines ihrer teuren Kristallgläser wie ein Ober aus einer Komödie in Augenhöhe vor sich hoch und machte sich leicht schwankend auf den Weg zur Treppe. Als er die Stufen heraufkam, hielt er das Glas mit der obenauf schwimmenden Limonenscheibe weiter hoch. Die freie Hand lag locker auf dem Geländer; auf seinem Gesicht leuchteten Glück und Fröhlichkeit. Einen Augenblick lang wäre sie fast schwach geworden, aber dann standen ihr Helen und Robert Shaverstone wieder höllisch klar vor Augen: der Junge und seine gefolterte, sexuell missbrauchte Mutter, die in Massachusetts nebeneinander in einem Bach trieben, der an den Ufern schon Eis anzusetzen begonnen hatte.
»Ein Glas Perrier für die Lady, kommt so…«
Im letzten Moment sah sie das Wissen - etwas Uraltes und Vergilbtes und Unheimliches - in seinen Augen aufblitzen. Das war mehr als nur Überraschung; es war schockierte Wut. In diesem Augenblick verstand sie ihn endlich ganz. Er liebte nichts und niemanden, am wenigsten sie. Jede Freundlichkeit, jede Liebkosung, jedes jungenhafte Grinsen und jede rücksichtsvolle Geste - alles nur Tarnung. Er war eine leere Hülse, die nichts als heulende Leere enthielt.
Sie schubste ihn.
Der Stoß war so kräftig, dass Bob einen Dreiviertelsalto in der Luft machte, bevor er auf die Stufen krachte: erst mit
Darcy lief die Treppe hinunter. Auf halbem Weg trat sie auf einen Eiswürfel, rutschte aus und musste sich am Geländer festklammern. Unten sah sie, dass in seinem Genick eine riesige Beule entstanden war, über der sich die weiß werdende Haut spannte, und sagte: »Nicht bewegen, Bob, ich glaube, du hast dir einen Halswirbel gebrochen.«