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»Du siehst aus, als dächtest du über etwas nach. Etwas Kompliziertes? Und dabei machst du ein Gesicht, als passe es dir gar nicht.«

»Du beobachtest mich nicht schlecht.«

»Kann sein. Nun, wenn Alice dir nicht paßt, wie steht’s mit Gloria. Sie ist hübsch?«

»Aber nicht sehr intelligent.« Sein Mädchen hatte zumindest so serviert zu sein, daß er sich mit ihr unterhalten konnte.

»Komisch, du magst Alice nicht, auch nicht Gloria, wen magst du denn? Hast du irgendwo ein kleines Mädchen versteckt? Eines, mit dem du morgen ausgehst. Du weißt ja, morgen ist der große Tag: Montag.«

Lucas zuckte mit den Schultern. Die letzten drei Montage hatte er damit verbracht, sich die Stadt anzusehen. »Nein. Ich habe noch nicht einmal daran gedacht, daß wir morgen frei haben.«

»Bei mir ist das anders. Ich habe morgen eine Verabredung.«

Lucas fühlte seine Mundwinkel zucken. »Feste Angelegenheit?«

»Noch nicht. Aber es kann noch kommen. Du, ich muß dir sagen, er ist der tollste Mann auf der ganzen Welt. Er ist galant, ein guter Tänzer und richtig erwachsen. Man begegnet solch einem Mann nicht alle Tage. Wenn er dann plötzlich vor dir steht, ist es um dich geschehen. Etwas später fragt man sich dann, ob es nicht doch noch einen besseren gibt.« Sie sah Lucas von der Seite an. »Du weißt, was ich meine?«

»Hm-ja. Ich nehme an, daß ich es weiß.« Er biß auf seine Lippen. »Ich muß diesen Kram jetzt aufwaschen!« Dann drehte er sich um und ging schnell in den Hinterraum. Während das heiße Wasser in die Spülwanne floß, faßte er sich langsam wieder und fühlte sich schon bedeutend besser. Aber er kam nicht darüber hinweg, daß Barbara einen festen Freund hatte.

Es war ganz klar: Barbara war nicht das richtige Mädchen für ihn.

* * *

An diesem Montag blieb das Wetter gut. Die Sonne war warm genug, um die alten Leute auf die Straße zu locken, wo sie ihre Stühle vor ihren Haustreppen aufbauten. Die jungen Männer, die an diesem Tag nicht zur Arbeit mußten, standen um ihre Autos und beobachteten mit Wohlgefallen die vorbeikommenden Mädchen. Es war ein ausgesprochen schöner Tag. Die Tennisplätze in der Nähe des Washington Square waren angefüllt mit sportlustigen Menschen. Überall war Leben.

Kurz nach halb drei Uhr kam Lucas die Straße herauf und ging, ohne nach rechts oder links zu schauen, auf den Eingang der Untergrundbahn zu. Er fühlte sich unruhig und verwirrt. Irgendwie hoffte er, an diesem Tag sein Mädchen zu finden. Aber er war sich nicht im klaren darüber, wie er es anstellen sollte. Er hatte zwar beobachtet, wie seine Schulfreunde es zu machen pflegten, auch hatte er das eine oder andere Mädchen schon einmal mit ins Kino genommen, aber irgendwie fühlte er sich unsicher. Er kannte zwar die gesellschaftlichen Spielregeln, die zwischen Jungen und Mädchen üblich waren, aber was er suchte, war keine Gesellschafterin.

Er dachte an Barbara und kam zu dem Schluß, daß in dieser Angelegenheit nichts so wichtig war wie Selbstdisziplin. Eine Affäre über lange Sicht hatte für ihn keinen Zweck. Er würde ein Mädchen nicht solange sitzen lassen können, bis er seine Studien beendet hatte. Und es war außerdem sehr wahrscheinlich, nachdem was im vorigen Jahr in Asien passiert war, daß man alle Physiker in den Staatsdienst nehmen würde. Das aber hieß, an irgendeiner weit entfernten Stelle zu arbeiten, wo Wohnraum knapp war und sehr wenig Zeit blieb für eine Familie.

Nein, ein Mann mit Angehörigen hat selten die Wahl; irgend jemand wird er immer verletzen müssen. Barbara konnte man es nicht zumuten, sich in eine solche Lage zu versetzen.

Er war an der Untergrundstation angekommen. Mit einem Expreßzug fuhr er zum Columbus Circle.

Langsam wanderte er zum Central Park. Er war etwas verlegen, denn er glaubte, daß wenigstens einige der Leute auf den Bänken sich wunderten, was er dort wohl triebe.

Er sah eine Reihe junger Mädchen, die in Paaren daherkamen und in der Richtung des Rollschuhringes verschwanden. Vielleicht hatten sie dort eine Verabredung. Einen Augenblick überlegte Lucas, ob er nicht auch Rollschuhlaufen gehen sollte. Aber dann schlug er den Gedanken aus seinem Kopf: er fand es zu dumm, immer im Kreis herumzulaufen und sich dabei steife Orgelmusik anzuhören. Statt nach Norden zu gehen auf den Rollschuhring zu, wandte er sich nach Süden und stand wenige Minuten später vor dem großen Vogelgehege des Parkzoos. Ein bunt gefiederter Pfau schlug protzend sein Rad. Lucas blieb wie verzaubert stehen. Die Farben des Tieres stachen in seine Augen. Es fiel ihm schwer, dieser Farbenpracht den Rücken zu kehren und seinen Marsch fortzusetzen.

Selten sah er ein Mädchen allein durch den Park gehen. Er war etwas überrascht darüber, und nur hier und da wagte er es, ihnen scheu und verstohlen einen Blick zuzuwerfen.

Irgendwie glaubte er, daß das Mädchen, das er suchte, etwas Besonderes ausstrahle. Sie würde sich von den anderen wesentlich unterscheiden; sie würde andere Kleider tragen, anders gehen und überhaupt anders sein. Es schien ihm ganz natürlich, daß ein Mädchen, daß sich in einem Park von einem fremden Mann ansprechen läßt, ein besonderes Kennzeichen zeigt. Er konnte es nicht beschreiben, aber er würde es erkennen. Manchmal glaubte er solch ein Mädchen zu sehen. Doch wenn er näher herankam, mußte er feststellen, daß sie auffällig Kaugummi kaute oder zu dick Lippenstift aufgetragen hatte. Nein, so sollte sie nicht sein.

Etwas später war er wieder im Zoo. Eine Weile ging er vor den Löwen auf und ab. Dann setzte er sich in das Cafe vor dem Seehundteich und bestellte ein Glas Milch. Seine Verlegenheit wurde immer größer. Er wagte kaum noch aufzusehen und starrte während einer geraumen Zeit auf das Glas Milch vor ihm. Er sah auf seine Uhr: es war halb vier. Erst eine Stunde war vergangen; er hätte schwören können, daß es später war. Er zündete sich eine Zigarette an, rauchte sie bis zum Ende und war überrascht, daß es nur fünf Minuten gedauert hatte.

Zu seiner Verlegenheit gesellte sich Unruhe. Er überlegte, ob er aufstehen sollte. Aber er tat es nicht, denn er wußte zu genau, daß, wenn er hier wegging, ihm nichts anderes übrigblieb, als den nächsten Zug nach Greenwich Village zu nehmen und nach Hause zu fahren.

Lucas fühlte die warmen Strahlen der Sonne; er begann zu schwitzen. Am Nebentisch saß eine Frau in eleganten Kleidern. Sie war etwa fünfunddreißig Jahre alt und sah auf eine eigentümliche Weise zu ihm herüber. Er stand auf, schob den Stuhl unter den Tisch und ging zu dem Seehundbecken, das nur wenige Schritte entfernt war.

Er schaute auf das Spiel der Seehunde, ohne sie jedoch richtig zu sehen. Der Gedanke, daß er dabei war, alles aufzugeben, nahm ihn völlig in Anspruch. Schließlich hatte er die ganze Sache durchdacht und war zu einer logischen Schlußfolgerung gekommen. Bisher war er immer bei seinen Entschlüssen geblieben, und es hatte sich gezeigt, daß sie alle so ausliefen, wie er es sich vorgestellt hatte.

Da war diese Geschichte mit Barbara. Es war nicht absolut unrichtig, in sie verliebt zu sein, aber er war sicher, daß sie für den Anfang nicht die richtige war. Er konnte sich nicht um sie kümmern. Mädchen wie Barbara würden später in seinem Leben einen Platz haben, wenn er einmal seßhaft geworden war.

Zum erstenmal in seinem Leben befand er sich in einer Situation, in der er das nicht tun konnte, was er hätte tun sollen. Es tat in seinem Innersten weh. Mit einem Ruck wandte er sich von den Seehunden ab und ging auf den Ausgang neben den Löwenhäusern zu.

Während er seine Milch getrunken hatte, hatte ein junges Mädchen ihren Klappstuhl vor einem der Löwengehege aufgestellt und angefangen zu zeichnen. Ohne sie recht angesehen zu haben, ging er auf sie zu und sagte herausfordernd zu ihr: »Haben wir uns nicht schon einmal irgendwo gesehen?«

Das Mädchen hatte etwa sein Alter. Ihr blondes Haar war glatt zurückgekämmt und hinter ihrem Kopf in einem Knoten zusammengebunden. Unter ihren hohen Backenknochen lagen blasse Wangen. Ihre Nase war spitz, und ihre Lippen voll und rot. Sie hatte ihren Lippenstift nur ein ganz klein wenig benutzt. Sie trug ballettschuhartige Slipper, einen bunt bedruckten Rock und eine weite Bluse.