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Shawn Rogers hatte New York an einem solchen regnerischen Tag verlassen. Während er über die Autobahn nach Westen fuhr, konnte er hören, wie seine Reifen über dem nassen Asphalt sangen.

Fast fünf Jahre lang hatte er seinen Mann nicht mehr gesehen. Wie er sich wohl fühlte?

Natürlich hatte er jeden Tag die Berichte seiner Agenten gelesen, die seit fünf Jahren ihren Mann nicht aus den Augen gelassen hatten. Sie waren überalclass="underline" sie brachten ihm die Milch, seine Brötchen und arbeiteten für ihn schweißtriefend auf den Feldern. Am Ende eines jeden Monats hatte sein Sekretär ihm eine kleine Zusammenfassung vorgelegt; ohne daß er auch nur die geringsten Anhaltspunkte gegen oder für eine Identität Martinos hatte finden können.

Rogers zog seine Mundwinkel zu einem gequälten Lächeln nach oben. Wie er wohl die Nachricht auffassen würde, die er ihm jetzt brachte?

Er brachte seinen Wagen wenige Schritte von der Farm entfernt zum Stehen. Er kannte sie ganz genau: seine Leute hatten sie mal photographiert.

Das Haus sah jetzt gut gepflegt aus; es hatte einen neuen Anstrich bekommen und neue Fensterläden. Ein kleiner frischgemähter Rasen lag davor mit tiefgeschnittenen Hecken an seinen Rändern. Hinter dem Haus sah man die Scheune; sie machte einen sauberen, soliden Eindruck. Dazwischen lag der Küchengarten, dessen Beete den ordnenden Sinn einer geometrischen Exaktheit verrieten. Rogers trat durch das Tor in den Garten. Ein Hund kam auf ihn zu und beschnupperte ihn brummend. Regen lief in Strömen über seinen glatten Rücken. Mit ein paar schnellen Schritten durchquerte Rogers den aufgeweichten Vorplatz und sprang auf die nächstgelegene Tür zu. Als er sie erreicht hatte, stand er vor seinem Mann, der, noch in seinen Arbeitskleidern, im gleichen Augenblick in die Tür getreten war.

Sein Gesicht schien verändert. Kleine Kratzer bedeckten seine ehemals glatte Oberfläche und brachen das Licht mehr, als sie es reflektierten. Seine Augen waren immer noch stechend und scharf. Seine Stimme dagegen war trockener geworden, und er schien nur sehr mühsam Worte hervorbringen zu können.

»Herr Rogers.«

»Hallo, Herr Martino.«

»Kommen Sie herein.« Der Mann trat etwas zur Seite, um seinen Gast vorbeizulassen.

»Danke. Ich weiß, daß ich eigentlich hätte anrufen sollen, aber ich wollte sicher gehen, daß wir uns genügend lange unterhalten könnten.« Rogers blieb einen Augenblick stehen. »Ich habe Ihnen nämlich etwas sehr Wichtiges mitzuteilen, wenn Sie mir etwas Zeit opfern wollen.«

Der Mann nickte. »Hm. Ich habe zwar noch eine Menge Arbeit, aber ich glaube, daß es Ihnen nichts ausmacht, wenn Sie mitkommen und mir dabei erzählen. Ich habe übrigens gerade mein Mittagessen fertiggekocht. Wollen Sie etwas mitessen?«

»Danke.« Rogers zog seinen Regenmantel aus und gab ihn dem Mann, der ihn auf einen Haken hinter der Küchentür hängte.

»Wie geht es Ihnen, Herr Martino?«

»Gut. Dort steht ein Stuhl. Setzen Sie sich. Ich hole das Essen.« Von einem Bord holte er zwei Teller und stellte sie auf den Tisch.

Rogers saß steif auf seinem Stuhl und sah sich gelangweilt in dem Raum um.

Die Küche war sauber und zweckmäßig eingerichtet. An den Fenstern waren Vorhänge, und auf dem Boden lag neuer Linoleum. Nirgends sah er schmutzige Teller oder anderes ungewaschenes Geschirr. Selbst das Spülbecken sah aus, als würde es jeden Tag mindestens einmal geschrubbt. Überall herrschte Ordnung: die sauberen Teller standen hintereinander wie horizontal gelandete fliegende Untertassen.

Rogers versuchte sich vorzustellen, wie der Mann das wohl alles schaffte: Waschen, Bügeln, Gardinen aufhängen und alle die vielen anderen kleinen und großen Dinge eines Haushaltes. Es war offensichtlich, daß hier ein straffer Geist die Dinge ordnete. Nirgendwo schien Zelt verloren.

Der Mann brachte das Essen: Kartoffeln, Rote Beete und für jeden ein dickes Stück Schweinelende. »Nehmen Sie Kaffee? Ich habe gerade frischen gebraut.«

»Ja. Ich trinke ihn schwarz.«

»Wie Sie wollen.« Das Metall seiner künstlichen Hand knirschte an dem Henkel der Tassen. Der Mann sah beschäftigt aus und unnahbar, als er sich setzte und zu essen begann. Er aß schnell und schien irgendwie ungeduldig; er wollte mit dem Essen fertig werden, um sich erneut in die Arbeit stürzen zu können. Rogers fand keine Gelegenheit, ihn anzusprechen, und mußte wohl oder übel versuchen, ebenso schnell, zu essen wie sein Gegenüber.

Als er mit dem Essen fertig war, stand er auf, räumte den Tisch ab und trug das Geschirr in das Abwaschbecken. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir spülen helfen würden. Dann sind wir schneller fertig.«

»Gewiß, gern.« Rogers trocknete gewissenhaft die Teller und Messer ab, die der Mann ihm zügig hintereinander reichte. Fünf Minuten später verließen sie die Küche und traten in den schmalen Flur.

»Bin gleich zurück«, sagte der Mann. Er war in einen Nebenraum gegangen und hatte eine Schublade geöffnet. Er kam mit einer langen Verbandsrolle zurück und begann sogleich, etwas umständlich, aber nicht ungeübt, seinen Metallarm einzuwickeln. An den beiden Enden befestigte er Sicherheitsnadeln. Dann holte er eine kleine Ölkanne aus dem Schrank und tränkte den bandagierten Arm in seiner ganzen Länge. »Es bleibt mir nichts anderes übrig«, sagte er zu Rogers. »Wenn ich es nicht tue, setzt sich Staub und Schmutz in die Gelenke und leiert sie aus.«

»Ich verstehe.«

»Ich bin fertig, wollen wir gehen?«

Rogers folgte seinem seltsamen Gastgeber durch den Regen hinüber zur Scheune. Wieder kam der Hund und schnupperte an seinem Mantel. »Geh’ in deine Hütte, du dummer Kerl. Du wirst ja ganz naß. Geh’, Prinz, geh’.« Der Hund wandte sich ab und verschwand hinter dem Haus.

»Er heißt Prinz? Ein schöner Hund. Welche Rasse?«

»Bastard. Er schläft in einer Tonne hinter dem Haus.«

»Er schläft nicht im Haus?«

»Er soll ein Wachhund sein.« Der Mann sah Rogers an. »Ein Hund, wissen Sie, ist ein Hund. Wenn ein Mann keinen anderen Freund hat als einen Hund, so besagt das, daß er mit seinen eigenen Leuten nicht auskommt.«

»Nicht unbedingt. Sie haben den Hund doch gern?«

»Ja.«

»Schämen Sie sich dessen?«

»Versuchen Sie, mich schon wieder zu jagen?«

Rogers sah zu Boden. »Entschuldigen Sie, Herr Martino.«

Sie hatten die Scheune erreicht. In der Mitte stand ein Traktor, daneben eine Schüssel mit altem Getriebeöl. Der Mann ging gleich an die Arbeit, ohne sich weiter um Rogers zu kümmern. Er breitete eine grüne Persenning aus und legte seine Werkzeuge fein säuberlich nebeneinander. »Ich muß das Getriebe heute noch reparieren«, sagte er. »Ich habe den Traktor aus zweiter Hand gekauft, und der Bursche, der ihn vor mir gehabt hat, hat die Gänge derartig ruiniert, daß ich sie jetzt schon auswechseln muß. Morgen will ich einige Felder eggen.«

Er lag schon unter dem Traktor und löste die Schrauben der Ölwanne. Ob er noch an Rogers dachte war nicht zu erkennen.

Rogers war der Verzweiflung nahe. Er wurde des Stehens müde und suchte nach einer Sitzmöglichkeit. Er fand eine alte Kiste, die er neben dem Traktor aufbaute. Jetzt konnte er den Mann arbeiten sehen. Obwohl er schon am Morgen das Öl abgelassen hatte, tropfte es immer noch in langen, zähen Strähnen aus der Wanne. Rogers konnte sehen, daß der Mann seinen Mund und seine Augenöffnungen geschlossen hatte und nach Gefühl arbeitete. Schmutziges Öl lief breiig über seinen Metallkopf.