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Rogers grinste, es war ein bitteres Grinsen. Nachdem er sich abgetrocknet hatte, zog er sich wieder an, ging zurück ins Badezimmer, steckte seine Zahnbürste ein, dachte einen Augenblick lang nach und griff dann fest entschlossen nach dem Röhrchen mit Bullrichsalz.

* * *

Es war noch sehr früh am Morgen. Rogers saß Willis, dem Psychologen, gegenüber.

»Wenn sie Martino ohnehin zurückschicken wollten«, fragte Rogers, »warum haben sie sich dann soviel Arbeit mit ihm gemacht? Ich glaube nicht, daß er den ganzen Eisenladen nötig hatte, nur um am Leben zu bleiben. Warum haben sie alles darangesetzt ein Ausstellungsstück aus ihm zu machen?«

Willis rieb über die Stoppeln in seinem Gesicht. »Angenommen, er ist Martino, dann hatten sie bestimmt nicht vor, ihn jemals laufen zu lassen, sonst wären sie mit der herkömmlichen Art von Chirurgie ausgekommen. Stattdessen haben sie sich alle Mühe gegeben, aus ihm ein normal funktionierendes menschliches Wesen zu machen.«

»Ich glaube, daß es folgendermaßen war: sie wußten, daß er für sie nützlich sein könnte. Da sie eine Menge von ihm erwarteten, haben sie ihn psychisch soweit wieder hergerichtet, daß er fähig war, es ihnen mitzuteilen. Möglicherweise haben sie sich überhaupt keine Gedanken gemacht, wie er für uns aussehen würde. Vielleicht haben sie ihn sogar über das absolut Notwendige hinaus repariert — sagen wir, um ihn selbst zu beeindrucken. Wie dem auch sei, es ist möglich, daß sie auf seine Dankbarkeit gehofft haben. Wir dürfen auch nicht außer acht lassen, daß sie vielleicht seine berufliche Neugier wecken wollten, zumal da er Physiker ist. Wissenschaftliche Errungenschaften sind eine ausgezeichnete Brücke zwischen Wissenschaftlern von hier und dem System da drüben. Wenn das eine ihrer Überlegungen gewesen ist, kann ich nur sagen: eine verdammt gute Psychologie.«

Rogers zündete sich eine neue Zigarette an. »Wir haben dies alles schon einmal durchgekaut. Fast jeder Gesichtspunkt paßt auf das wenige, was wir wissen. Aber was beweist es?«

»Nun, wie ich schon gesagt habe, möglicherweise haben sie nie vorgehabt, ihn wieder laufen zu lassen. Bei dieser Annahme bleibt jetzt zu fragen, warum haben sie ihn schließlich doch freigegeben? Nehmen wir an, er hat den Mund gehalten. Sagen wir, sie haben schließlich eingesehen, daß er doch keine Goldbarren zu vergeben hatte. Oder sagen wir, sie haben etwas anderes vor — vielleicht im nächsten Monat, oder in der nächsten Woche. Dann war es nur logisch, ihn freizugeben.«

»Das sind mir zu viele Annahmen. Was sagt er denn darüber aus?«

Willis wehrte ab. »Er sagt, daß sie ihm verschiedene Angebote gemacht hatten. Er habe sie für Köder gehalten und ausgeschlagen, Sie hätten ihn auch ausgefragt, aber er habe dichtgehalten.«

»Halten Sie das für möglich?«

»Alles ist möglich. Sehen Sie, er ist geistig völlig normal, und das ist schon eine Menge. Er war schon immer ein sehr ausgeglichener Charakter.«

Rogers fuhr auf: »Hören Sie zu! Die da drüben haben bis jetzt noch jeden fertiggemacht, sofern sie nur wollten. Warum nicht ihn?«

»Ich habe nicht gesagt, daß sie es nicht versucht haben. Aber es besteht die Möglichkeit, daß er die Wahrheit spricht. Vielleicht haben sie nicht genug Zeit gehabt. Vielleicht war er ihnen thematisch überlegen. Die Tatsache, daß er kein ›Gesicht‹ hat und ihm ein normaler Atemkreislauf fehlt, gab ihnen vielleicht keine Gelegenheit zu erkennen, wann er reif war und den Boden unter den Füßen verlor. Das mag ihm geholfen haben.«

»Ja«, sagte Rogers, »das scheint mir auch der Fall zu sein.«

»Auch sein Herz verrät nichts; der größte Teil der Arbeit wird von einem Generator geleistet.«

»Ich verstehe es nicht!« brummte Rogers. »Ich verstehe es einfach nicht! Entweder ist er Martino, oder er ist es nicht. Unsere Leute haben sich ganz nett in Unkosten gestürzt — jetzt haben wir ihn wieder. Wenn er Martino ist, sehe ich trotzdem noch nicht, was sie dabei gewinnen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß sie nichts gewinnen wollen — so sind sie einfach nicht!«

»Sind wir es?«

»Gut! Es gibt zwei Parteien, jede ist überzeugt, daß sie recht hat. In diesem Jahrhundert wird die Lebensweise der Welt für die nächsten tausend Jahre bestimmt. Wenn man um solche Einsätze spielt, läßt man keine Chance vorbeigehen. Wenn er nicht Martino ist, so haben sie vielleicht angenommen, daß wir ihn ohne Untersuchung durchlassen. Dann kann ich nur sagen, sie sind dümmer als sie sich in der Vergangenheit gezeigt haben. Aber wenn er Martino ist, warum, zum Teufel, ließen sie ihn laufen? Ist er auf ihre Seite getreten? Es sind schon ganze Nationen zu ihnen übergelaufen, von denen wir es niemals angenommen hätten.«

Dann fügte er noch hinzu: »Die Burschen spielen ganz nett Blindekuh mit uns.«

Willis nickte. »Ich weiß. Hören Sie mal gut zu — was wissen Sie über die Russen?«

»Russen? Hm! Genausoviel wie über die anderen Kommunisten. Warum?«

»Vorsicht, Rogers, verallgemeinern hat keinen Zweck. Aber selbst in diesem psychologischen Krieg sollten wir eines nicht vergessen. Dies hier ist ein typisch slavischer Scherz, ein russischer sozusagen. Ich kann mir vorstellen, daß jeder, der darüber Bescheid weiß, sich krank lacht. Vielleicht fing alles anders an, viel ernster. Jetzt jedenfalls ist es gut möglich, daß die Jungs in Novoya Moskva beim Wodka von einem Lachkrampf in den anderen fallen.«

»Sehr schön«, sagte Rogers, »ausgezeichnet!«

»Ich war überzeugt, daß Ihnen die Geschichte gefallen würde.«

»Verflucht, Willis, ich muß seine Nußschale aufkriegen. Es ist unmöglich, daß er als ungelöster Fall frei herumläuft. Martino war einer der besten in seinem Fach. Er wußte um alle Spitzengeheimnisse und arbeitete zuletzt an dem Ding, das sie K-88 nennen. Und ganze vier Monate war er bei den Sowjets. Ich muß wissen, was sie aus, ihm herausbekommen, was sie mit ihm gemacht haben, und vor allem, ob er noch immer bei ihnen ist.«

»Ich weiß«, erwiderte Willis betont langsam. »Ich halte es für möglich, daß er alles preisgegeben hat, ja sogar, daß er ein sowjetischer Agent geworden ist. Aber, daß er nicht Martino sein soll nein, das glaube ich nicht. Denken Sie doch nur an die Fingerabdrücke an dem rechten Arm.«

Rogers fluchte. »Seine rechte Schulter besteht aus nichts als vernarbtem Gewebe. Wenn sie es fertigbringen, Augen, Ohren und Lunge durch mechanische Teile zu ersetzen, wenn es ihnen gelungen ist, einen künstlichen Arm so einzubauen, daß er wie ein gesunder funktioniert, wo ist da noch eine Lücke?«

Willis erblaßte. »Wollen Sie damit sagen, daß sie alles ersetzen können? Soll das heißen, es ist bestimmt Martinos rechter Arm, aber nicht unbedingt Martino?«

»Genau das!«

* * *

Das Telefon schellte. Rogers wälzte sich auf die andere Seite seiner Pritsche und hob den Hörer ab. Das Telefon stand auf dem Boden. »Rogers. Ja, Herr Deptford.« Die Leuchtziffern seiner Uhr schwammen vor seinen Augen, er schaute sie scharf an, um sie festzuhalten. 23.30 Uhr. Er hatte kaum zwei Stunden geschlafen.

»Hallo, Shawn, ich gehe gerade Ihren Bericht durch, den vom dritten Tag. Es tut mir leid, daß ich Sie geweckt habe, aber Sie kommen augenscheinlich nicht so recht mit Martino vorwärts, nicht wahr?«

»Oh, das macht nichts, mit dem Wecken, meine ich. Ja, Sie haben recht, wir kommen nicht von der Stelle.«

Rogers Zimmer war dunkel. Ein wenig Licht kam aus dem Nebenraum, in dem einige Leute die Ergebnisse von Barristers, Finchleys und Willis Untersuchungen auswerteten. Man konnte das Klappern der Schreibmaschinen und elektronischen Rechengeräte hören.

»Glauben Sie, es hätte Sinn, zu euch hinunterzukommen?«

»Um den ganzen Salat zu übernehmen? Prima! Zu jeder Zeit.«

Deptford antwortete eine Weile nicht. Dann fragte er: »Glauben Sie, daß ich weiterkomme als Sie?«