Аннотация
Weshalb wissen wir eigentlich so wenig über das Reich von Byzanz - und warum ist das wenige, was wir über die christliche Großmacht wissen, derart negativ gef,rbt? So urteilte beispielsweise der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel im 19. Jahrhundert, die Geschichte des Oströmischen Reiches sei eine "tausendjährige Reihe von fortwährenden Verbrechen, Schwächen, Niederträchtigkeiten und Charakterlosigkeit".
Jeder Gymnasiast lernt im Geschichtsunterricht die großen römischen Imperatoren kennen: Augustus, Hadrian, Diokletian. Aber kaum ein Lehrer erzählt von den byzantinischen Herrschern, die doch - im Guten wie im Schlechten - ähnlich herausragende Regenten, grausame Despoten und brillante Strategen waren. Etwa Justinian 1., der den Auftrag gab, das gesamte römische Recht zu sammeln, und der damit eines der wichtigsten Gesetzeswerke aller Zeiten schuf Dem es darüber hinaus im 6. Jahrhundert gelang, das Imperium Romanum in weiten Teilen wiederherzustellen; der Italien zurückeroberte und auf drei Kontinenten herrschte.
Aber Kritiker wie Hegel scheinen solche Erfolge byzantinischer Staatsmänner weniger zu interessieren als Klatschgeschichten über den Hof in Konstantinopel. Bestätigen doch
Kolportagen über Palastintrigen, hinterhältige Eunuchen und machtgierige Kaiserinnen sehr viel besser die Vorurteile des Westens über die vermeintliche Dekadenz des Orients. (Während der Cäsarenwahn eines Caligula oder Nero das antike Imperium nur noch faszinierender erscheinen lässt.)
Viele dieser Klischees sind uralt, vermutlich entstanden sie in einer Zeit, als sich die Kirchen des Ostens und des Westens ab dem 9. Jahrhundert einander mehr und mehr entfremdeten und winzige theologische Differenzen zu einer immer tieferen Spaltung fuhrten und schließlich zu Hass.
Die Stereotype sind zudem wohl Ausdruck eines Minderwertigkeitskomplexes im Westen. Denn Byzanz war der mächtigste christliche Staat des Mittelalters. Allein schon seine Dauerhaftigkeit ist bemerkenswert: In nur kurz unterbrochener Folge herrschten rund 90 Kaiser mehr als 1000 Jahre lang von Konstantinopel aus über ihre Provinzen - kein Reich auf dem Kontinent hat so lange existiert.
Der westliche Teil des Imperium Romanum ging 476 n. Chr. in der Völkerwanderung unter. Der östliche, von Konstantinopel regierte Teil aber überlebte, trotzte immer wieder Angriffen von Hunnen, Goten, Persern, Awaren und Slawen, widerstand den Armeen des Propheten und der Seldschuken.
Und während im Westen nach den Barbarenstürmen die Städte verfielen, jahrhundertelang kein einziger Bau von Bedeutung mehr entstand, die Menschen sogar das Lesen und Schreiben weitgehend verlernten, bewahrte Byzanz die Kultur der Antike - und entwickelte sie weiter.
Das "neue Rom" Konstantinopel hatte 400000 Einwohner zu einer Zeit, da die Stadt am Tiber nur noch 35000 Bürger zählte. In Byzanz studierten Gelehrte die im Rest Europas vergessenen Schriften der griechischen Philosophen und Naturwissenschaftler, fertigten Künstler die prächtigsten Ikonen und Mosaiken, gab es eine international anerkannte Leitwährung sowie Fernhandel und Industrien für Luxuswaren wie Purpur und Seide - während die Menschen im Abendland nur eine kümmerliche Landwirtschaft betrieben.
Darüber hinaus stützten sich die Monarchen des Ostens auf eine wohlorganisierte Bürokratie, die bis in fernste Gegenden des Reiches die Befehle aus dem Zentrum umsetzte - und das in einer Ära, als die Kaiser des Okzidents noch dauernd durch die Lande zogen, weil ohne persönliche Anwesenheit illte Herrschaft nicht aufrecht zuerhalten war.
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